Selbstkritik als gefährliches Werkzeug

Wenn Eigenlob stinkt, duftet dann etwa Selbstkritik nach Rosenwasser? Ganz so einfach ist die Sache freilich keineswegs, doch völlig verkehrt auch nicht. Jedenfalls aber ist es eine kommunikationstechnische Gratwanderung.

Drei Fragezeichen. Mehr stand im Feedback-Mail der Kundin kürzlich gar nicht drinnen. Damit war aber jedenfalls klar: Mit unserem letzten Text hatte unser Gegenüber offenbar ihre liebe Not. Der Grund: Wir haben in einem für ihr Unternehmen verfassten Blog-Beitrag eine andere Marke beispielhaft erwähnt. Das hat jetzt nicht sooo gefallen, kann man rückblickend durchaus festhalten.

Der Hintergrund dieses kleinen Feedback-Ping-Pongs: Ich bin der Meinung, dass es durchaus Sinn macht, fremde Unternehmen im eigenen Firmenblog zu featuren. Damit kann man nämlich ohne viel Umschweife sich selbst auf die Schulter klopfen, ohne, dass die Sache klebrig und werblich wird. Ich nenne das gerne: der Eigenlob-Schuhlöffel. Und damit meine ich das:

Größe, die gut kommt.

Wenn ich selbst auf etwas stolz bin, was mein Unternehmen macht, kommt es eigenartig daher, wenn ich meine Großartigkeit einen ganzen Blog-Post lang beschreibe. Wenn ich allerdings von einem anderen Unternehmen (ja, das dürfen auch Mitbewerber*innen sein) berichte, das erfolgreich eine ähnliche Idee verfolgt und ich mich schlussendlich sozusagen indirekt für die Inspiration zum eigenen Handeln bedanke, sieht die Sache ganz anders aus. Dadurch beweise ich, dass mein Handeln bereits erfolgreich getestet wurde und somit kein Risiko birgt. Vor allem aber demonstriere ich unternehmerische Größe. Ich klopfe dem anderen Unternehmen (ja, Mitbewerber*innen sind da ideal dafür) anerkennend auf die Schulter. Und das kommt gut, versprochen.

Allein, diese Wechselwirkung darf man – wie in meinem Beispiel – freilich nicht voraussetzen. Mein Fehler. Auch kann ich natürlich verstehen, dass man als Unternehmer*in fremde Firmennamen auf der eigenen Website nicht unbedingt gerne liest. Aber: Ab und an bringt es schon wirklich was, über den eigenen Logo-Schatten zu springen!

Selbstkritik: Jetzt wird’s haarig.

Allerdings hat das gerade Beschriebene noch nichts mit dem zu tun, was aus meiner Sicht tatsächlich viel öfter in „Corporate Content“-Kanälen Platz finden sollte: eine selbstkritische Annäherung an werbliche Themen.

Nehmen wir ein Beispiel, das vermutlich bei allen Kund*innen eher früher als später Thema wird: Man soll den oder die CEO interviewen. Das heißt eigentlich eh immer so viel wie: „Lassen Sie den Chef oder die Chefin erzählen, wie toll wir sind.“

Meine Frage: Will das denn auch jemand lesen? Ich behaupte einfach einmal: nein. Ich behaupte aber auch: Wir können alle gewünschten Themen viel besser integrieren, wenn wir Chef oder Chefin nicht mit Samthandschuhen anfassen. Nehmen wir folgende Aufgabenstellung her:

Gleich zum Einstieg soll über ein neues Produkt gesprochen werden, das den Kund*innen dabei hilft, Geld zu sparen, aber obendrein besser ist als alle anderen. Welche Einstiegsfrage würde Sie neugierig machen?

  • Sehr geehrte/r Herr/Frau CEO {Vorname Nachname}: Sie sind gerade dabei, {das Wunderding} auf den Markt zu bringen. Was kann das genau?

Oder

  • Sie behaupten, {das Wunderding} auf den Markt zu bringen. Ganz ehrlich: So wie sich das für uns darstellt, kann das so nicht funktionieren. Also: Wo ist der Haken an der Sache?

Der Vergleich macht sicher – die zweite Version macht eher neugierig. Kritische Fragen reichen oft völlig, um Leser*innen in Texte zu locken. Doch nicht nur das, kritische Fragen ermöglichen noch viel mehr! Denn nun kann unser/e CEO förmlich beweisen, wie gut sein/ihr neues {Wunderding} ist. Er oder sie kann die Kritik der Frage durch Wissen und Erklärung entkräften. Das wiederum führt dazu, dass die Großartigkeit des {Wunderdings} bloß noch großartiger wird. Weil: Die beiden Positionen liegen wie zwei Pole weiter auseinander als erwartet, und das schafft wiederum eine höhere Spannung bei Leser*innen. Wenn wir diese Spannung für unsere Zwecke nutzen können – wie in diesem Fall –, laden wir das zu bewerbende Produkt also mit mehr Kraft auf. Und das ist doch im Corporate-Bereich immer unser Ziel.

Aber: Achtung!

Allerdings möchte ich an dieser Stelle auch zur Vorsicht mahnen: Wenn wir diese Mechanik nämlich überziehen, kommt der gewollte kritische Zugang einer Selbstdemontage gleich. Um bei dem oben genannten Beispiel zu bleiben: Wenn das {Wunderding} ein Produkt ist, das nicht hält, was es verspricht, dann wird es keinem oder keiner CEO mit noch so intensiver textlicher Hilfe gelingen, die kritische Frage zu entkräften und so ins Positive zu drehen. Und das führt dann eher zu einem Desaster als zu einem Image-Gewinn.

Fazit:
Wer sich selbst nach außen hin kritisch betrachtet, wird eher wahrgenommen. Auch kann man mit einer Offenheit zu Mitbewerber*innen sich selbst unaufgeregt loben, ohne in stinkendem Eigenlob zu ersticken.
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